autobiographie.

Man erzählt sich, in jener Nacht habe das Wetter verrückt gespielt. Die Wetterfee habe an den Bäumen gerüttelt und mit hinterhältigem Gelächter, das sich in der Form eines Gewitters äußerte, mit jenen die Straßen dekoriert, was so manchen Autofahrer, einen Durchschnittsmenschen, der unter normalen Umständen wohlgemerkt schlechte Emotionen gar nicht erst aufkommen lässt, zur Weißglut brachte. Jener Autofahrer hätten seine wertvolle Energie jedoch wesentlicheren Dingen widmen sollen, denn weder Weiß- noch Schwarzglut vermochten es, die Wetterfee (oder wollen wir sie Wetterhexe nennen?) zu besänftigen.

In jeder Nacht wurde ich gegen meinen Willen aus meiner gemütlichen Höhle vertrieben, so als würde jemand auf Gerechtigkeit pochen und mit einem vor Neid zitternden Zeigefinger, dessen zugehöriger Fingernagel zwangsläufig aufgrund von erzwungener Unterwürfigkeit des mächtig stolzen Fingernagelbesitzers und seiner Quelle unerschöpflichen Neides in dessen Darmtrakt umziehen musste, auf mich zeigen. Ich war einem Gericht ausgeliefert, dass es mir untersagte, mich zu etwaigen Vorwürfen zu äußern. Das Urteil stand fest, bevor man mit Zeigefingern auf mich oder die Idee von mir zeigte. Ich sollte dafür bestraft werden, dass ich die letzten neun Monate, einer Periode konstanten Wohlbefindes, einfach nur existierte.

Ein Gruppe von Ärzten und Krankenschwestern umringte das Bett einer jungen Frau, die sich im künstlichen Tiefschlaf befand. Der Gedanke an Schmerzen schien sie genauso zu quälen wie das sich anbahnende Unglück. Insgeheim hoffte sie, nie wieder aufzuwachen. Es war so weit. Die Gruppe von Ärzten und Krankenschwestern, denen man die Frustration darüber, zu dieser Stunde und bei diesem Wetter anwesend sein zu müssen, deutlich ansah, hatten alle auf das Signal gewartet. Es blieb jedoch aus. Ich wollte nicht schreien. Niemand stellte sich die Frage, ob ich leben wollte oder leben sollte.

Anfangs freute sich die Kaffeemaschine, dass sie vom Keller in die freundliche Wohnung umsiedeln durfte und endlich, endlich wieder ihrer Bestimmung nachgehen durfte. Sie konnte es kaum erwarten, endlich dieses wohlriechende, liebgewonnene Gebräu, die vollständige Erfüllung ihres Daseins, zu erzeugen. Sie liebte den Gesichtsausdruck der Menschen, das Lächeln, das erleichternde Seufzen, die einsetzende Entspannung nach einer frühmorgendlichen Tasse Kaffee und war stolz auf sich selbst. Doch an Tagen wie diesen wünschte sie sich nichts sehnlicheres, als wieder zurück in den Keller zu dürfen. Wie war sie doch überansprucht worden, dachte sie und rieb sich ihre schmerzenden Glieder. Die junge Frau, jene, mit dem elenden Gesichtsausdruck, jene, die ihre offensichtliche Überforderung mit dem neuen Menschen oder mit dem Leben im Allgemeinen im Kaffee zu ersäufen versuchte, war daran schuld. Wenn die Kaffeemaschine an das Kind dachte, das Kind! Überkamen sie fast mütterliche Gefühle. Obwohl sie selbst nie Kinder hatte, wohlgemerkt. Was wird bloß mit diesem Kind geschehen, fragte sie sich. Heute hatte sie miterlebt, wie die junge Frau auf dem kleinen Hocker vor dem Spiegel im Flur saß, den Ellbogen auf die kleine Kommode unter dem Spiegel stürzte und die Nummer ihrer Eltern wählte. Sie zitterte merklich und war kurz davor, in Tränen auszubrechen. “Hallo” begann sie mit verzagter Stimme. “Ich bin es. Marianne”. Den Rest des Gespräches konnte die Kaffeemaschine nur aufgrund Marianne’s Aussagen und den manchmal aufgebrachten Stimmen am anderen Ende des Leitung, die bis in die Küche drangen, deuten. “Ich weiß, dass ich einen Fehler gemacht habe” flehte die junge Frau, die sich Marianne nennt und fasste sich an die Stirn. Dieser Berg von Sorgen über das Kind und über die Welt, hatten beschlossen, auf ihrem Kopf Bauarbeiten durchzuführen, wogegen – die Kaffeemaschine rollte bei diesem Gedanken die Augen – natürlich Kaffee die Lösung war. “Papa, ich schaffe das nicht. Ich habe keine Nerven dazu. Du weißt doch, ich bin krank”. Die Verzweiflung der jungen Frau war nun offenkundig. Fast tat sie der Kaffeemaschine leid. “Bitte sprich noch einmal mit Mutter” meinte sie abschließend. Nach diesem Gespräch gönnte sie sich eine wohlverdiente Tasse Kaffee, bis das Kind in ihrem Schlafzimmer wie am Spieß zu schreien begann.

Die Frau war dagegen. Nicht um die Welt würde sie sich ein uneheliches Kind ins Haus holen, selbst wenn es ihr eigenes Enkelkind war. Schließlich und endlich war sie eine rechtschaffene, eine christliche Frau. Eine, die mit den Sünden anderer nichts am Hut hatte. Sie wusste jedoch, dass der Mann, der naiverweise ein Herz für Abtrünnige besaß, nicht locker lassen würde. “Ich habe gerade mit Marianne telefoniert”, meinte der Mann. Er schwieg für einen Moment und heftete seinen Blick auf seine Frau, die diesem gekonnt auswich. “Und”? Erwiederte sie. Natürlich wusste sie, worauf dieses Gespräch hinauslaufen würde, doch irgendwo im hintersten Winkel des Hinterkopfes hoffte sie, er würde das Offensichtliche nicht aussprechen, würde das Grauen nicht in Worte fassen. “Sie ist unsere Tochter. Und sie braucht unsere Hilfe. Wir tragen schließlich Mitverantwortung”. “Mitverantwortung”, wollte es verächtlich aus der Frau herausplatzen, doch anstatt ein Wort zu sagen, drehte sie ihrem Mann den Rücken zu, und begann, als gäbe es kein größeres Problem auf dieser Erde als verschmutzte Teller, eifrig mit dem Geschirr zu hantieren. Der Mann ließ nicht locker. “Ich denke, wir sollten Susanna hier aufnehmen.” Die Frau schien einen Moment lang wie gelähmt. Im Bewusstsein, dass es nichts half, ihrem Mann zu widersprechen und vor Wut an die zusätzliche Arbeit, dass dieses Balg zwangsweise erforden würde, denkend, würgte sie den Schwamm in der Spüle, der sich entsetzt fragte, was er denn dafür könnte.

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